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CBN-Wendeschneidplatten: Die Kraftpakete im Drehbereich

1 - Werkstoffeigenschaften von CBN

- Grundlegende Charakteristika

Kubisches Bornitrid ist ein synthetisch hergestellter Werkstoff, der durch Hochdruck-Hochtemperatur-Synthese aus hexagonalem Bornitrid gewonnen wird. Mit einer Härte von etwa 4.500 HV liegt CBN nur knapp unter der des Diamanten (10.000 HV auf der Mohs-Skala), übertrifft jedoch alle anderen technischen Schneidwerkstoffe deutlich.

Physikalische und mechanische Eigenschaften

  • Härte und Verschleißfestigkeit:
    CBN weist eine außergewöhnliche Härte auf, die auch bei hohen Temperaturen bis etwa 1.200°C erhalten bleibt. Diese thermische Stabilität übertrifft die von Diamant erheblich, da Diamant bereits ab 700°C zu oxidieren beginnt. Die hohe Härte resultiert in einer exzellenten Verschleißfestigkeit gegen abrasiven Verschleiß.
  • Thermische Eigenschaften:
    Die Wärmeleitfähigkeit von CBN liegt mit etwa 100-200 W/mK deutlich über der von Hartmetall (50-100 W/mK), was zu einer besseren Wärmeableitung aus der Schneidzone führt. Der thermische Ausdehnungskoeffizient ist gering, was dimensionale Stabilität bei Temperaturschwankungen gewährleistet.
  • Chemische Beständigkeit:
    CBN zeigt eine hohe chemische Resistenz gegenüber den meisten Metallen und ist besonders stabil gegenüber Eisenwerkstoffen. Diese Eigenschaft reduziert die Neigung zu adhäsivem Verschleiß und Aufbauschneidenbildung erheblich.

2 - Aufbau und Herstellung von CBN-Wendeschneidplatten​

- Struktureller Aufbau

CBN-Wendeschneidplatten bestehen typischerweise aus zwei Komponenten: einer dünnen CBN-Schicht (0,5-1,5 mm) auf einem Hartmetall-Substrat. Diese Konstruktion kombiniert die überlegenen Schneideigenschaften des CBN mit der Zähigkeit und dem günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis des Hartmetalls.

Herstellungsverfahren

Die Produktion erfolgt durch Sintern unter hohem Druck und hoher Temperatur. Dabei werden CBN-Kristalle mit metallischen oder keramischen Bindemitteln zu einer kompakten Schneideinsatzschicht verbunden. Gängige Bindemittel sind Titan, Aluminium oder keramische Phasen, die die Eigenschaften der finalen Schneidplatte maßgeblich beeinflussen.

- Varianten und Qualitäten

  • Niedrig-CBN-Gehalt (50-65%):
    Diese Varianten enthalten einen höheren Bindemittelanteil und bieten eine gute Balance zwischen Härte und Zähigkeit. Sie eignen sich für kontinuierliche Schnitte und Anwendungen mit moderaten Anforderungen.
  • Hoch-CBN-Gehalt (85-95%):
    Hochreine CBN-Qualitäten bieten maximale Härte und Verschleißfestigkeit, sind jedoch spröder und empfindlicher gegenüber Stoßbelastungen. Sie kommen bei höchsten Anforderungen an die Oberflächengüte und Standzeit zum Einsatz.

3 - Anwendungsgebiete und bearbeitbare Werkstoffe

Gehärtete Stähle

CBN-Wendeschneidplatten sind prädestiniert für die Bearbeitung gehärteter Stähle mit Härten über 45 HRC. Typische Anwendungen umfassen:

  • Werkzeugstähle:
    Bearbeitung von Presswerkzeugen, Spritzgussformen und Stanzwerkzeugen nach der Wärmebehandlung
  • Lagerstähle:
    Finish-Bearbeitung von Wälzlagerringen und -bahnen
  • Einsatzstähle:
    Nachbearbeitung einsatzgehärteter Getriebezahnräder und Nockenwellen


Gusseiserne Werkstoffe

Besonders bei der Bearbeitung von Gusseisen mit Lamellengraphit (GG) und Gusseisen mit Kugelgraphit (GGG) zeigen CBN-Schneidplatten ihre Überlegenheit:

  • Grauguss:
    Zylinderkopf- und Motorblockbearbeitung in der Automobilindustrie
  • Hartguss:
    Walzen und verschleißfeste Gussteile
  • Ni-Resist:
    Korrosionsbeständige Gusswerkstoffe


Hochtemperaturbeständige Legierungen

In der Luft- und Raumfahrt sowie in der Energietechnik ermöglichen CBN-Wendeschneidplatten die wirtschaftliche Bearbeitung von:

  • Nickelbasislegierungen: Inconel, Hastelloy für Turbinenschaufeln
  • Pulvermetallurgische Hochleistungswerkstoffe
  • Stellite und andere verschleißfeste Legierungen

4 - Schneiddatenoptimierung

Schnittgeschwindigkeit

CBN-Wendeschneidplatten arbeiten optimal bei hohen Schnittgeschwindigkeiten zwischen 150-600 m/min, abhängig vom zu bearbeitenden Werkstoff. Diese hohen Geschwindigkeiten sind notwendig, um die erforderliche Schnitttemperatur zu erreichen und thermische Erweichung des Werkstücks zu nutzen.

Vorschub und Schnitttiefe

Moderate Vorschübe (0,1-0,4 mm/U) und geringe Schnitttiefen (0,5-3 mm) sind typisch für CBN-Anwendungen. Diese Parameter gewährleisten eine optimale Spanbildung und minimieren mechanische Belastungen der spröden CBN-Schneide.

Kühlschmierung

Obwohl CBN grundsätzlich trocken bearbeitet werden kann, ist bei den meisten Anwendungen eine gezielte Minimalmengenschmierung (MMS) oder Druckluftkühlung empfehlenswert, um Temperaturspitzen zu vermeiden und die Oberflächengüte zu verbessern.

5 - Maschinenvoraussetzungen

Steifigkeit und Dämpfung

CBN-Bearbeitung erfordert hochsteife Maschinen mit geringen Schwingungsneigungen. Unzureichende Maschinendynamik führt zu vorzeitigem Schneidenausbruch und reduzierten Standzeiten.

Leistung und Drehzahlbereich

Hohe Spindeldrehzahlen und ausreichende Antriebsleistung sind essentiell. Moderne Drehzentren für CBN-Anwendungen bieten Drehzahlen bis 10.000 U/min und mehr.

Werkzeugaufnahme

Präzise und schwingungsarme Werkzeugaufnahmen sind kritisch. HSK- oder Schrumpffutter-Systeme sind Standard für hochwertige CBN-Anwendungen.

6 - Wirtschaftliche Betrachtung

Werkzeugkosten vs. Gesamtkosten

Obwohl CBN-Wendeschneidplatten deutlich teurer sind als konventionelle Schneidwerkstoffe (Faktor 10-50), können sie durch erheblich höhere Standzeiten, bessere Oberflächenqualität und höhere Schnittgeschwindigkeiten die Gesamtbearbeitungskosten reduzieren.

Standzeit und Produktivität

Typische Standzeiten von CBN-Wendeschneidplatten liegen bei der Hartbearbeitung zwischen 30-120 Minuten aktiver Schnittzeit, abhängig von Werkstoff und Anwendung. Dies entspricht oft dem 5-20fachen konventioneller Werkzeuge.

Qualitätsvorteile

Die erreichbaren Oberflächenqualitäten (Ra 0,1-0,8 μm) und Formgenauigkeiten (IT6-IT8) eliminieren oft nachgelagerte Schleifoperationen und reduzieren so die Prozesskette.

7 - Grenzen und Herausforderungen

Werkstoffeinschränkungen

CBN ist nicht universell einsetzbar. Aluminiumlegierungen, Titan und andere Werkstoffe können zu chemischen Reaktionen und vorzeitigem Verschleiß führen. Hier ist Diamant oft die bessere Alternative.

Mechanische Empfindlichkeit

Die Sprödigkeit von CBN macht die Schneidplatten empfindlich gegenüber Stoßbelastungen und Unterbrechungen. Vibrationen und ungleichmäßige Schnittbedingungen können zu katastrophalem Versagen führen.

Investitionskosten

Die hohen Werkzeugkosten erfordern eine sorgfältige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und sind nur bei entsprechenden Stückzahlen oder hohen Qualitätsanforderungen gerechtfertigt.

8 - Zukunftsperspektiven

Die Weiterentwicklung von CBN-Wendeschneidplatten konzentriert sich auf verbesserte Bindemittelsysteme, optimierte Beschichtungen und neue Herstellungsverfahren. Trends wie die additive Fertigung eröffnen neue Möglichkeiten für maßgeschneiderte Schneidengeometrien und gradierte Werkstoffe.

Gleichzeitig erweitern digitale Technologien wie Prozessüberwachung und maschinelles Lernen die Möglichkeiten für eine optimierte Nutzung dieser Hochleistungswerkzeuge.

Fazit

CBN-Wendeschneidplatten stellen heute die Speerspitze der Zerspanungstechnologie dar und ermöglichen die wirtschaftliche Bearbeitung härtester Werkstoffe. Ihr Einsatz erfordert jedoch eine ganzheitliche Betrachtung von Werkzeug, Maschine und Prozess. Bei richtiger Anwendung bieten sie unübertroffene Leistung in Bezug auf Standzeit, Oberflächenqualität und Produktivität, was sie zu einem unverzichtbaren Werkzeug in der modernen Präzisionsfertigung macht.

Kategorie Drehen